Die Führungskraft als Vorbild – zwischen Anspruch und Realität

Ein glaubwürdiges Vorbild entsteht durch die Übereinstimmung von Worten und Taten. Wie gut gelingt Dir das im Alltag?

Eine Anekdote aus meiner Arbeit: In einem Führungskräfteentwicklungsprogramm, das für Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen verpflichtend ist, fragte ich nach den Merkmalen einer guten Führungskraft. Die Antworten lauteten „Authentizität“, „Verantwortung übernehmen“ und „Vorbildverhalten“. Kurz darauf äußerte die ranghöchste Führungskraft im Raum: „Mal ehrlich, ich stelle die Sinnhaftigkeit dieses Programms infrage. Ich habe so wenig Zeit und wirklich Wichtigeres zu tun. Ich glaube nicht, hier noch etwas zu lernen. Geben Sie es zu – das geht doch uns allen so.“

Vorbildverhalten? Finde den Fehler!

Diese Aussage wirft Fragen auf:

  1. Wie siehst diese Führungskraft ihre Rolle in der Veranstaltung?
  2. Welche Wirkung haben solche Aussagen auf die anderen Führungskräfte?
  3. Wie loyal verhält sie sich gegenüber ihrem Arbeitgeber?
  4. Wie passen Anspruch und eigenes Verhalten zusammen?

Ich schreibe dazu, weil mir dieses Verhalten in Führungskräfteentwicklungen immer wieder mal begegnet und ich beim Zuhören am liebsten in die nächste Tischkante beißen würde. Denn solche Äußerungen sind wie ein Sargnagel an der Akzeptanz solcher Programme und auch die letzte noch motivierte Führungskraft versteht dann, dass dem Top Management dieses Programm im Zweifelsfall egal ist und jeder noch so semi-wichtige Termin beim nächsten Modul Vorfahrt haben darf.

Doch was tun, wenn Du ein solches Programm (oder andere Maßnahmen) kritisch siehst, es aber dennoch vertreten musst? Hier einige Impulse:

  • Ergründe, was Deinen Widerstand verursacht. Nutze die 5-Why-Technik, um den Kern Deines Widerstands zu finden.
  • Entwickle daraufhin 1-2 Lösungsvorschläge und bespreche diese mit den Verantwortlichen.
  • Tausche Dich mit Deinen Kolleg:innen aus und erkundige Dich nach ihrer Sichtweise. Es könnten dabei Argumente ans Licht kommen, die Dir bisher entgangen sind.
  • Und wenn alles nichts hilft: Such das Gespräch mit Deiner Führungskraft, bis Du Argumente findest, die Dich überzeugen.
  • Erst dann solltest Du nach außen kommunizieren.

Eine mögliche Ansprache könnte dann so klingen: „Dieses Programm ist verpflichtend und erfordert einen hohen Zeitinvest. Das sehe ich durchaus kritisch. Dennoch ist es mir wichtig, hier teilzunehmen um mich mit Ihnen über Führungsthemen auszutauschen und gemeinsam unsere Kultur zu entwickeln.“

Hier zeigt sich eine Führungskraft, die Verantwortung übernimmt und gleichzeitig authentisch bleibt. Ist sie damit nicht ein wunderbares Vorbild?